Laut dröhnt die Rockmusik, Gay Cum Bei Schlagerparade Gespräch ist nicht möglich. Tritt jemand ein, drehen sich alle Köpfe zu ihm hin: Wer mag das sein? Überfälle in Klubs und Kneipen sind zwar seltener geworden, sagt Boris Milicevic, Aktivist der "Gay Straight Alliance" in Serbien. Aber jetzt geht es nach einem anderen Muster: "Jemand kommt herein, merkt sich Gesichter. Und auf dem Nachhauseweg wird man dann an der Ecke abgefangen und zusammengeschlagen. Als einige Engagierte die erste Gay-Pride-Parade in Belgrad auf die Beine stellten, kamen sie nicht weit: An der ersten Ecke standen die Hooligans. Einen weiteren Versuch hat es nicht gegeben. Labris, die Lesben-Organisation in der serbischen Hauptstadt, hält ihren Treffpunkt bis heute ebenso geheim wie die Adresse eines Frauenhauses. Schwule Gruppen und Paare aus ganz Europa treffen sich, ziehen sich schön an und feiern. Zu Idolen wurden die transsexuelle Dana aus Israel, die gewann, aber auch die Siegerin des Vorjahres, die serbische Roma-Sängerin Marija Serifovic, die mit ihren kurzen Haaren, ihrer dunklen, energischen Stimme und ihren Krawatten zur Lesbenikone wurde. Belgrad mit seinen europaweit bekannten DJs ist inzwischen ein "fancy place" für junge Reisende, im Zentrum sieht man neuerdings immer mehr Rucksackträger, die in Stadtplänen blättern. Die Behörden rechnen mit bis zu 20 Besuchern beim Song Contest. Drohungen gibt es bereits, Gay Cum Bei Schlagerparade scheinen jedoch bisher kalkulierbar. Man sei vorbereitet, ist aus der klerikalfaschistischen Organisation Obraz zu hören. Nicht umsonst sei Belgrad neben Moskau Gay Cum Bei Schlagerparade einzige Metropole Europas, in der es noch keine Gay-Parade gegeben habe, sagt Mladen Obradovic. Allerdings würden seine Anhänger auch "nicht in Häuser gehen und unter die Bettdecken gucken". Die Rechtsradikalen ziehen eine Linie: Was in geschlossenen Räumen passiert, lassen sie geschehen, alles Demonstrative wird mit Gewalt beantwortet. Belgrads Schwule empfehlen, sich entsprechend zu verhalten: "Keine auffällige Kleidung, keine Küsse, kein Händchenhalten", sagt Milicevic. Trotzdem habe sich seit etwas zum Besseren verändert, erläutert Milicevic. Selbst Aleksandar Vucic, Kandidat der ultranationalistischen Radikalen bei der Bürgermeisterwahl am vergangenen Sonntag, empfiehlt öffentlich, die Gäste freundlich zu empfangen. Seit dem vorigen Jahr engagiert sich auch die Polizei für den Schutz von Homosexuellen. Für die Kooperation mit den Ordnungshütern mussten auch die Schwulenvertreter über ihren Schatten springen. Im ganzen Land gibt es an die zehn organisierte Gruppen, fünf davon in Belgrad, und die Zahl der Aktiven liegt landesweit bei etwa Den Anfang machte Labris, der Verein der Lesben, die mit der Psychologin Lepa Mladjenovic auch eine Integrationsfigur haben. Öffentlich aufzutreten trauten sich in ganz Serbien überhaupt nur drei Lesben, sagt Marija Savic von Labris: zwei in Novi Sad, eine in Belgrad. Ansonsten hat sich keine öffentlich bekannte Person, kein Mann und keine Frau, je zur Homosexualität bekannt. Es sei "ganz schwer, überhaupt Aktivistinnen zu finden". Das Vereinstelefon wird angerufen und beschimpft, sagt Savic. Einmal bisher haben die Frauen von Labris sich herausgetraut. Da das Rote Kreuz Blutspender per Formular fragte, ob sie schon einmal gleichgeschlechtlichen Sex gehabt hätten, gingen alle hin und kreuzten "ja" an. Die Erfahrung war positiv: Die Mitarbeiter der Hilfsorganisation suchten das Gespräch - und korrigierten ihr Formular. Jetzt fragen sie stattdessen nach "riskanten Sexualpraktiken". Wie anderswo in der Region auch, ist Homophobie in Serbien fast noch eine Selbstverständlichkeit. Im Kosovo und in Bosnien, so Milicevic, sei es "eher noch schlimmer". Im vorigen Sommer brach auf der kroatischen Insel Brac geradezu eine Hysterie aus, als ein schwuler Reiseveranstalter dort ein Hotel buchte.
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